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Anliegerbeiträge: Ein Relikt aus der Vergangenheit

Argumente gegen Anliegerbeiträge aus Sicht der Anlieger

1. Ungerechte Verteilung der Kosten

Anliegerbeiträge belasten nur eine bestimmte Gruppe von Anwohnern, während andere Bürger, die auch von den öffentlichen Einrichtungen und Infrastrukturen profitieren, keine Beiträge leisten müssen. Dies führt insbesondere im Weidedamm zu einer unfairen Verteilung der Kosten und einer ungleichen finanziellen Belastung.
Ein überproportionaler Anteil der Straßennutzung findet im Weidedamm durch Schwerlastverkehr statt, dessen Betreiber keine Anlieger sind.
Durch die Anwendung des vierten Potenzgesetzes kann man die relative Abnutzung der Straße durch verschiedene Fahrzeuge vergleichen. Unter der Annahme, dass ein Traktor mit einem zweiachsigen Güllefaß 40 Tonnen wiegt und ein PKW 2 Tonnen ergibt sich gemäß dem vierten Potenz Gesetz, dass die Fahrt des Gespannes ca. 20.000 Fahrten eines 2 Tonnen schweren PKW entsprechen. Ähnlich hohe Werte ergeben sich für entsprechend geladene LKW, welche die landwirtschaftlichen Industriebetriebe am Weidedamm beliefern.
Am 04.05.23 wurden bei einer Stichprobenzählung im Weidedamm 99 Durchfahrten von Güllefass-Gespannen gezählt! Dies würde 1.980.000 Durchfahrten von PKW an einem Tag entsprechen. Die Abnutzung der Straße erfolgt somit fast ausschließlich durch den Schwerlastverkehr und nicht durch die Anwohner, die jetzt den Ausbau dieser Straße mitfinanzieren sollen!

Auch das Argument des Gemeindedirektors, „Alle anderen hätten auch gezahlt“ ist haltlos in Anbetracht der enorm gestiegenen Straßenbaukosten und der enorm gestiegenen Satzungsbeiträge seit 2021. Bei der Erhebung von Anliegerbeiträgen wurden in der Vergangenheit 15% statt 40% für Durchfahrtsstraßen von den Anliegern erhoben und 40% statt 75% der Kosten für Anliegerstraßen.
Zuletzt begründete der Gemeindedirektor die geplante Straßenverbreiterung des Weidedamms am 11.05. lt. Berichterstattung in der Wümme Zeitung damit, dass sie zu schmal für den Begegnungsverkehr von zwei PKW sei. 2008 wurde seitens der Gemeinde und des Landkreis Rotenburg (Wümme) auf einer Anliegerversammlung argumentiert, die Straße Weidedamm sei breit genug für den Begegnungsverkehr von LKW und PKW, und somit sei der von den Anliegern unerwünschte Bau des Kuhstalls am Ende des Weidedamms gegen deren Willen machbar. Die Ställe, das Klärwerk und die Biogasanlage, die zu einer hohen Belastung des Weidedamms durch Schwerverkehr beitragen, liegen zwar am Weidedamm an, befinden sich aber ohne Hausnummer außerorts und werden damit vor der Erhebung von Anliegerbeiträgen geschützt.

2. Verhältnismäßigkeitsprinzip

Als Steuerzahler leisten wir bereits unseren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Projekte und Infrastrukturen. Anliegerbeiträge stellen eine zusätzliche finanzielle Belastung dar, die oft schwer zu tragen ist, insbesondere für einkommensschwächere Anlieger. Der Gemeindedirektor hat seinen Vorwurf, wir Anlieger seien nicht solidarisch, wenn wir die Abschaffung von Anliegerbeiträgen fordern damit begründet, dass die Grundsteuer steigen würde und somit die Kosten von allen getragen würden. Erstens würde dies nicht nur die Kosten des Weidedamms sondern auch weitere zukünftige Projekte betreffen und zweitens werten wir diesen Einwand als manipulierend und einschüchternd, da die Grundsteueranpassung eine ungleich geringere Mehrbelastung aller Anlieger Tarmstedts bedeuten würde und sich vermutlich im Bereich von unter 50 EUR pro Jahr und Anlieger beziffern lassen würde. Im Gegensatz zur Erhebung von unverhältnismäßig hohen Anliegerbeiträgen würde diese Entscheidung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Ein rechtsstaatliches Prinzip, dem auch die Gemeinde Tarmstedt unterliegt!

3. Mangelnde Transparenz

Oftmals ist unklar, wie die Kosten für öffentliche Projekte und Infrastrukturen berechnet werden. Anlieger haben das Recht zu wissen, wie die Kosten zustande kommen und ob sie angemessen sind. Die fehlende Transparenz führt im Projekt Weidedamm zu Misstrauen und Unzufriedenheit. Beispielsweise wurden für mindestens zwei Straßen erhebliche Zuschüsse Dritter verwendet, so dass die Beiträge der betroffenen Anlieger im Bereich von unter 1000,00 EUR ausgefallen sind. Wir bezweifeln, dass der Rat Versuche unternommen hat, die Anlieger des Weidedamms zu entlasten. Vielmehr besteht der Verdacht, dass Ratsmitglieder ihre Lobby-Interessen im Bereich Landwirtschaft und die Gemeinde ihre Interessen im Bereich des Bauerwartungslandes östlich des Weidedamms durchsetzen möchten.

Übrigens, keine der mit Anliegerbeiträgen ausgebauten Straßen in Tarmstedt überschreitet eine Straßenbreite von 4,20m. Der Weidedamm soll lt. Gemeinderat auf übermäßige 5,5m ausgebaut werden, mit der Begründung, dann könnten sich LKW und PKW begegnen. (Vgl. Punkt 1. Ungerechte Verteilung der Kosten)

4. Fehlende Mitbestimmung

Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Durchführung des Projektes „Regenwasserkanal und Straßenausbau Weidedamm“ wurde uns Anliegern keine Mitsprachemöglichkeit eingeräumt. Plötzlich werden wir mit hohen Anliegerbeiträgen konfrontiert und fühlen uns übergangen und dass unsere Interessen nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise berücksichtigt die Berechnung der anfallenden Regenmenge durch die Bauingenieurin des von der Gemeinde beauftragten Planungsbüros nicht, dass die Anlieger das Regenwasser von ihren Dächern aufgrund einer Vorgabe der Gemeinde schon längst auf den Grundstücken versickern lassen. Das angeblich von den Grundstücken abfließende Wasser wurde aber in die Berechnung des geplanten Regenwasserkanals mit einbezogen. Richtig wäre es, nur das Regenwasser von den östlich des Weidedamms liegenden Acker- und Grünlandflächen und das Wasser, welches tatsächlich auf der Straße anfällt zu berücksichtigen. Wir bezweifeln, dass die vorgeschlagenen Dimensionen des Regenwasserkanals dann noch passend sind, sondern gehen davon aus, dass die Wasserproblematik mit Gossen gelöst werden kann.

5. Wertsteigerung der Immobilien

Oftmals wird argumentiert, dass Anliegerbeiträge gerechtfertigt sind, da sie zu einer Wertsteigerung der Immobilien führen. Jedoch ist diese Wertsteigerung nicht immer gegeben, insbesondere wenn die Kosten der Beiträge die tatsächliche Wertsteigerung übersteigen. Dies ist im Weidedamm in Hinblick auf die derzeitige Inflation, die gestiegenen Preise, die gesetzlich vorgeschriebene Investitionsnotwendigkeit für energetische Sanierungsmaßnahmen usw. der Fall. Auch wird das Wohngebiet insgesamt immer unattraktiver und somit entwertet, wenn hier eine noch größere Lastwagen- und Treckerrennbahn in der Güte einer Flugzeuglandebahn entsteht. Hier sehen wir Anlieger uns doppelt finanziell benachteiligt.

6. Soziale Härtefälle

Anliegerbeiträge können für einkommensschwache Haushalte eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. In einigen Fällen können sie sogar existenzbedrohend sein. Daran würde das Angebot eines zinslosen Kredits durch die Gemeinde Tarmstedt nichts ändern! Im Gegenteil, Anliegerbeiträge zu erheben, welche die Anlieger zwingen sich zu verschulden oder ihre Notgroschen anzutasten führt dazu, dass weniger wohlhabende Eigentümer gezwungen werden, ihre Häuser durch Grundbucheintrag der Gemeinde wertgemindert zu verkaufen, damit wohlhabendere Eigentümer an ihre Stelle rücken und so eine sozial unverträgliche Gentrifizierung im Weidedamm vorangetrieben wird!
Plant die Gemeinde parallel bereits sozialen Wohnungsbau, den sie den aus dem Weidedamm Vertriebenen dann anbieten möchte?


Argumente, die aus Sicht der Gemeinde gegen die Erhebung von Anliegerbeiträge sprechen sollten

1. Gerechtigkeit

Anliegerbeiträge betreffen nur eine bestimmte Gruppe von Eigentümern. Andere Steuerzahler, die möglicherweise auch von den Verbesserungen profitieren, werden nicht zur Kasse gebeten. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung.

2. Soziale Auswirkungen

Anliegerbeiträge können eine erhebliche finanzielle Belastung für Anwohner darstellen, insbesondere für ältere Menschen, einkommensschwache Familien oder Menschen mit begrenzten finanziellen Ressourcen. Dies führt zu sozialer Ungleichheit.

3. Investitionshemmnis

Die Erhebung von Anliegerbeiträgen kann potenzielle Investoren abschrecken und die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde behindern. Unternehmen und Investoren könnten zögern, in Gebieten zu investieren, in denen zusätzliche Kosten durch Anliegerbeiträge entstehen.

4. Verwaltungsaufwand

Die Erhebung von Anliegerbeiträgen erfordert eine erhebliche Verwaltungsarbeit, einschließlich der Ermittlung der betroffenen Eigentümer, der Festlegung von Beitragssätzen, der Überwachung der Zahlungen und der Bewältigung von Streitigkeiten oder Beschwerden. Dies bedeutet zusätzlichen Aufwand und Kosten für die Gemeindeverwaltung.

5. Wettbewerbsnachteil

Wenn benachbarte Gemeinden keine Anliegerbeiträge erheben, kann dies zu einem Wettbewerbsnachteil für unsere Gemeinde führen. Unternehmen oder Bürger könnten sich eher für Standorte ohne zusätzliche Kosten entscheiden, was sich negativ auf die Attraktivität und das Wachstum unserer Gemeinde auswirken könnte.

Westertimke, Vorwerk, Hepstedt und Wilstedt erheben keine Anliegerbeiträge!

6. Langfristige Auswirkungen

Anliegerbeiträge könnten eine kurzfristige Lösung für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten darstellen, aber sie könnten langfristig auch negative Folgen haben. Es besteht die Möglichkeit, dass Eigentümer und Bewohner gegen die Beiträge protestieren oder rechtliche Schritte einleiten, was zu zusätzlichen Kosten, Verzögerungen oder sogar zum Scheitern von Projekten führen kann.

Diese Argumente zeigen, dass Anliegerbeiträge aus der Sicht der Gemeinde verschiedene Nachteile mit sich bringen können.

Es ist wichtig, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu untersuchen, um sicherzustellen, dass wichtige Infrastrukturprojekte gerecht finanziert werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen, damit keine soziale Ungleichheit entsteht.

Foto von Christian Dubovan auf Unsplash